Eingeschränkter Berufsunfähigkeitsschutz in Versicherungsbedingungen unwirksam
Der Bundesgerichtshof hatte in einer neueren Entscheidung vom 15.2.2017 über folgende Klausel in einer Berufsunfähigkeitsversicherung entschieden:
„Als versicherter Beruf im Sinne der Bedingungengilt die vor Eintritt des Versicherungsfalls zuletzt konkret ausgeübte Tätigkeit mit der Maßgabe, dass sie zu mindestens 90 Prozent als Schreibtischtätigkeit in Büro, Praxis oder Kanzlei ausgeübt wird. Im Falle einer BU-Leistungsprüfung erfolgt die Bemessung der Berufsunfähigkeit ausschließlich auf dieser Basis“.
Und sie für intransparent befunden.
Klauseln eines Versicherungsvertrags als Allgemeine Geschäftsbedingungen
Bei dieser Klausel handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung nach § 305 Abs.1 Satz 1 BGB, die vorformuliert für eine Vielzahl von Verträgen gilt. Sie ist jedoch nicht wirksam, wenn sie einseitig formuliert worden ist. Eine Klausel des Versicherungsunternehmens ist einseitig gestellt, wenn sie dem Versicherungsinteressenten nicht die Möglichkeit gibt, auf die inhaltliche Ausgestaltung Einfluss zu nehmen oder eigene Vorschläge einzubringen und diese in die Verhandlungen einzubeziehen. Dies ist nur gegeben, wenn der betreffenden Partei eine Gestaltungsfreiheit eingeräumt wird. Extrempositionen müssen deutliche kenntlich gemacht werden.
Solch eine Klausel hält der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 2 BGB nicht stand. Sie führt dazu, dass der Vertragszweck gefährdet wird. Anhand einer Klausel wie dieser, wird das Risiko derart gering, dass ein Ausgleich des Verdienstausfalls fast nicht möglich ist.
Unwirksamkeitsgründe
Zudem könnte solch eine Klausel nach § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB den Versicherungsnehmer unangemessen benachteiligen und daher unwirksam sein. Die vorliegende Klausel unterscheidet sich von gewöhnlichen Berufsunfähigkeitsversicherungen und versichert lediglich das Risiko einer modifizierten Erwerbsunfähigkeit. Der eigentliche Zweck dieses Vertrags wird damit unterlaufen, denn der Zweck einer solchen Versicherung ist in der Regel die Absicherung der konkreten beruflich geprägten Lebensstellung.
Außerdem verstößt die Klausel gegen das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Danach müssen Rechte und Pflichten des Versicherungsnehmers klar und durchschaubar dargestellt werden. Gewöhnlich wird in einer Berufsunfähigkeitsversicherung auf den zuletzt ausgeübten Beruf abgestellt und nicht auf einen fingierten. Diese Abweichung erschließt sich einem durchschnittlichen Kunden nicht. Kein Versicherungsnehmer wird von einer Unfähigkeit in einem fiktiven Beruf ausgehen. Wenn die Versicherung den zuletzt ausgeübten Beruf ausschließt, muss sie dies im Vertrag deutlich machen.
Im Ergebnis handelt es sich nach diesen Bedingungen nicht um den klassischen Fall einer Berufsunfähigkeitsversicherung, sondern um eine Erwerbsunfähigkeitsversicherung, was zu einer deutlichen Unwirksamkeit der Klausel führt, da sich solch eine Situation für den Versicherungsnehmer nicht ersichtlich erscheint.
BGH – IV ZR 91/16 –Urteil vom 15.2.2017
Weiteres zum Berufsunfähigkeitsrecht unter http://www.dr-riemer.de.
Erstellt am 08.10.2019
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Rechtsanwalt Dr. Martin Riemer
Fachanwalt für Medizinrecht und Versicherungsrecht