„Die Party ist vorbei!“ – Klimaschutz über die Gerichte
Ob ein Peruaner gegen RWE oder CSU Politiker und Schauspieler gegen die Bundesregierung. Ob Klagen auf das Unterlassen klimaschädlichen Verhaltens oder Ersatz und Beseitigung von Schäden, aufgrund dieses Verhaltens oder Verfassungsbeschwerden vor dem Bundesverfassungsgericht aufgrund der Grundrechtsgefährdungen zukünftiger Generationen. Die Zivil- und öffentlich-rechtlichen Verfahren vor deutschen Gerichten häufen sich mit steigender Dringlichkeit!
Klimaschutz durch Gerichte
Inwiefern macht Klimaschutz forciert durch Gerichte in klimaschutzmotivierten Klagen gegen Staaten oder gegen Unternehmen jedoch Sinn? In jedem Fall ist es eine Frage der (Klima-) Gerechtigkeit, dass sich Unternehmen und Staaten, die den Klimawandel verursachen, für die Folgen des Klimawandels verantworten müssen. Allerdings ist es in der aktuellen Lage nötig, eine schnelle, umfassende Lösung zu finden – Symbolentscheidungen, die einzelne Akteure verurteilen, könnten hierfür hinderlich sein, behaupten einige Stimmen. Viel effektiver wäre es womöglich, Entscheidungen auf der politischen Ebene zu treffen, die generellen Regelungscharakter haben und ein Umdenken der Gesellschaft bezwecken. Es wird argumentiert, dass die Judikative mit ihren Entscheidungen zu Klimabelangen zu sehr die Kompetenz der Legislative berührt. Gerichte sollten schließlich allerhöchstens negative Gesetzgeber sein.
Andererseits werden gerichtliche Entscheidungen über Klimaklagen als wichtige Elemente für die Umsetzung internationaler Klimaabkommen (wie dem Pariser Abkommen) auf nationaler Ebene gesehen, um die Lücken, die das Völkerrecht lässt, zu schließen. Gerichte sollen durch ihre Entscheidungen den Druck auf andere Gewalten erhöhen können.
Das Klima als Allmende
Außerdem liege die Brisanz des Klimaproblems ebenso darin, dass es nur global gemeinschaftlich gelöst werden kann. Das Klima und ein funktionierendes Ökosystem sind Allmenden, die dadurch, dass sie allen zustehen, auch durch alle genutzt werden können. Bei einer streng ökonomischen Betrachtung wird eine freiwillige Zurückhaltung einiger Beteiligten an Umweltverschmutzungen prompt durch vermehrte Nutzungen anderer ausgeglichen. Demnach könnte eine einzelne Enthaltung der Staaten und ein separates Voranschreiten im Klimaschutz zum Abfall eines Teils der Nachfrage und somit zu einer Preissenkung der klimaschädlichen Produkte führen. Dieser Preisabfall, aufgrund der sinkenden Nachfrage führe, einigen Meinungen nach, aber auf keinen Fall dazu, dass die Produkte nicht mehr hergestellt oder abgebaut werden. Vielmehr profitieren globale Akteure von den günstigen Preisen dieser Produkte, sodass dessen Nachfrage erneut steigt. Dies schade nationalen Unternehmen und würde ausländischen Unternehmen den Weg bereiten, indem man ihnen Wettbewerbsvorteile erschafft. Der Markt regelt somit nicht alles, vor allem keine Klimakrise.
Zusätzlich steht die Frage im Raum, welches staatliche Instrumentarium die Kompetenz besitzen könnte, allseits bindende Regeln auf globaler Ebene zu treffen. Und wie könnten Menschen auf einem Planeten, in dem so grundlegend unterschiedliche Lebenswirklichkeiten auf ihren Kontinenten und in ihren Ländern vorherrschen, jemals zu einer einheitlichen Lösung kommen? Alle Hoffnung ist auf die internationale Gemeinschaft zu setzen, die im Pariser Klimaschutzeinkommen von 2015 ihre Bemühungen zeigte. Diese werden aber von vielen Wissenschaftler*innen und Klimaaktivist*innen kritisiert: die vereinbarten Ziele des Pariser Klimaschutzabkommen seien ungenügend und langsam. Die Zielbegrenzungen des Anstiegs von möglichst 1,5° C, auf den sich die Staaten einigten, sind schließlich nicht als rechtsverbindlich definiert, sondern sollen nur “beabsichtigt“ werden (Art. 4 Abs. 2 Pariser Klimaschutzabkommen).
Ein Grundrecht auf Klimaschutz?
Auf nationaler Ebene wurde jüngst das deutsche Klimaschutzgesetz für teilweise verfassungswidrig erklärt (BVerfG, 1 BvR 2656/18, Beschluss vom 24.03.2021). Hierin wird eine Schutzpflicht des Staates auch auf zukünftige Generationen begründet. Genauer, so das Bundesverfassungsgericht, wird der Verfassung eine staatliche Pflicht „zur Sicherung grundrechtsgeschützter Freiheit über die Zeit und einer verhältnismäßigen Verteilung von Freiheitschancen über die Generationen“ entnommen.
Das deutsche Grundgesetz enthielt bis zu den 80er Jahren kaum umweltbezogene Inhalte. Mit wachsendem Umweltbewusstsein und unter stetiger Diskussion wurde das Grundgesetz 1994 durch Art. 20a GG ergänzt. Es wurde sich allerdings nur auf die Einführung des Art. 20a GG als Staatszielbestimmung, nicht als Grundrecht, geeinigt. Diese begründen keine subjektiven Rechte, sie sind somit nicht einklagbar und stellen bloß eine Richtlinie und Direktive des staatlichen Handelns dar. Im Hinblick auf die Zukunft und in Anbetracht der immer größer werdenden Gefahr des Klimawandels könnte dies ein Fehler gewesen sein. Schließlich zeigen die Grundrechte erst in ihrer Funktion als Abwehrrechte der Bürger gegen den Staat ihre Wirkung. Hätte Klimaschutz grundrechtsgleichen Schutz im Grundgesetz verdient? Ganz im Sinne von Schriftsteller und Jurist Ferdinand von Schirachs verfassungsrechtlichen Zukunftsvisionen: „Jeder Mensch hat das Recht, in einer gesunden und geschützten Umwelt zu leben“. Würde ein als Grundrecht im Grundgesetz verankertes Recht, das Staaten zum Klimaschutz verpflichtet, hilfreich im Kampf gegen den Klimawandel sein?
Die aktuellste Entscheidung des BVerfG bezüglich des Klimaschutzgesetzes klärt auf. Es wird ein schutzwürdiger Umweltbezug der Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG gerügt. Außerdem wird ein Grundrecht auf eine menschenwürdige Zukunft und ein Grundrecht auf ein ökologisches Existenzminimum aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20a GG und Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG beanstandet. Das Zugeständnis dieser Grundrechte beantwortet das BVerfG nicht direkt. In jedem Fall verpflichten die sonstigen Grundrechte den Staat aber zur „Wahrung grundrechtswesentlicher ökologischer Mindeststandards und insoweit zum Schutz vor Umweltschäden mit katastrophalen oder gar apokalyptischen Ausmaßen“ (BVerfG, 1 BvR 2656/18, Beschluss vom 24.03.2021). Der Klimaschutz scheint somit in Verbindung mit und über den Art. 20a GG hinaus im Grundgesetz erkennbar zu sein. Dieser Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen nehme trotzdem aber mit fortschreitendem Klimawandel an Gewicht zu.
Es bleibt abzuwarten, ob das Handeln gegen den Klimawandel über die Rechtsprechung hinausgehen und auf legislativer Ebene strikter verfestigt wird. Außerdem muss eine globale, allseits verpflichtende Lösung gefunden werden. Die nächste UN-Weltklimakonferenz im November 2021 in Glasgow wird sehnlichst herbeigewünscht – denn viel Zeit für Experimente scheint nicht mehr zu bleiben.
Ein Beitrag von Leah Feyh.
Erstellt am 06.09.2021
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