Erstberatung: Umfang und Vergütung nach dem RVG
Erstberatung: Umfang und Vergütung nach dem RVG
Eine Erstberatung im rechtlichen Sinne umfasst den initialen Austausch zwischen Anwalt und Mandant, der sowohl mündlich als auch telefonisch erfolgen kann. Unter den Begriff „Gespräch“ fällt nicht nur eine persönliche Begegnung, sondern auch ein Telefongespräch, bei dem ein wechselseitiger Austausch stattfindet. Eine schriftliche Beratung hingegen wird nicht unter den Wortlaut des § 34 Abs. 1 Satz 3 Teil 2 RVG gefasst, sodass die dort festgelegte Kappung auf 190 Euro in solchen Fällen nicht greift.[1] Bei der Berechnung der Gebühren für eine Erstberatung sind die allgemeinen Bemessungskriterien des § 14 Abs. 1 RVG zu berücksichtigen, die unter anderem den Umfang, die Schwierigkeit und die Bedeutung der Angelegenheit sowie die Vermögensverhältnisse des Mandanten einbeziehen.[2]
Der Anwalt muss im Rahmen der Erstberatung den Sachverhalt erfragen, dem Mandaten gegenüber aber noch kein vollständiges Ergebnis präsentieren, sondern lediglich erste Impulse der rechtlichen Bedeutung geben und auf den Recherchen-Umfang sowie auf die damit verbundenen Kosten hinweisen.[3]
Laut Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) ist die Gebühr für eine Erstberatung auf 190 Euro begrenzt, wenn der Mandant Verbraucher gemäß §13 BGB ist und es wird empfohlen, eine Gebührenvereinbarung gemäß § 34 RVG zu treffen.[4] Sollte keine solche Vereinbarung bestehen, bleibt die Gebühr auf 190 Euro beschränkt. Diese Regelung wurde durch das 2.Kostenrechtsmodernisierungsgesetz von 2013 nicht verändert.[5]
1.Grenzen der Erstberatung und deren Vergütung
Die Kappungswirkung des § 34 RVG entfällt, sobald die Beratung über das erste Beratungsgespräch hinausgeht. Dies gilt auch dann, wenn das erste Gespräch beendet wird, ohne dass alle Beratungsgegenstände abschließend behandelt werden konnten, beispielsweise, weil notwendige Unterlagen fehlen. In solchen Fällen greift die zweite Kappungsgrenze in Höhe von 250 Euro gemäß § 34 Abs. 1 Satz 3 Teil 1 RVG. Diese Regelung kommt auch dann zur Anwendung, wenn der Anwalt in einer komplexen familienrechtlichen Angelegenheit umfassend mündlich berät und diese Beratung anschließend in einem ausführlichen, mehrseitigen Schreiben zusammenfasst.[6]
Der Gegenstandswert der Angelegenheit spielt ebenfalls eine entscheidende Rolle bei der Vergütung der Erstberatung. Bei Fällen mit sehr hohem Streitwert ist eine höhere Vergütung unabhängig von der Dauer der Beratung angemessen und kann im Vorfeld vereinbart werden. So kann beispielsweise für ein erstes Beratungsgespräch eine Pauschale von 500 Euro festgelegt werden. Umgekehrt kann ein sehr niedriger Streitwert Anlass zu einer geringeren Vergütungsvereinbarung geben, die deutlich unter 190 Euro liegt. In diesem Fall sollte der Anwalt nicht automatisch die Höchstgrenze von 190 Euro in Rechnung stellen, sondern eine angemessene Vergütung basierend auf den konkreten Umständen der Beratung festlegen.[7]
Wenn der Anwalt weitere Unterlagen vom Mandanten erhält, stellt sich die Frage, ob dies weiterhin als Erstberatung betrachtet werden kann oder ob es sich bereits um eine umfassende Beratung handelt.
Es bleibt bei der Erstberatung, wenn der Anwalt erst nach Erhalt und Durchsicht schriftlicher Unterlagen eine erbetene Auskunft erteilt, solange er vorher nicht mit der eigentlichen Beratung begonnen hat. Dies gewährleistet, dass die Beratung auch in solchen Fällen unter die Kappung des § 34 RVG fällt und der Mandant nicht übermäßig belastet wird.[8]
Bei einem Urteil des AG Zittau wurde die Abgrenzung zwischen umfassender Beratung und Erstberatung behandelt. Das Gericht stellte fest, dass aufgrund der Umstände des Vertragsschlusses und der übermittelten umfangreichen Unterlagen (ca.100 Seiten) eine umfassende Beratung vorlag, die auch eine höhere Gebühr rechtfertigte. Das Urteil zeigt, dass Umstände des Einzelfalls maßgeblich sind.[9]
2.Abgrenzung der Erstberatung durch Zeitaufwand
Als Erstberatung bleibt die Tätigkeit des Anwalts auch dann anzusehen, wenn er den zeitlichen Aufwand für die Bearbeitung kurz hält. Eine Faustregel könnte hier eine Bearbeitungsdauer von bis zu einer Stunde sein. Sollte die Beratung jedoch über diesen Zeitrahmen hinausgehen, etwa, weil der Anwalt umfangreiche Unterlagen sichten muss, wäre es angebracht, für das erste Beratungsgespräch eine Stundensatzvereinbarung zu treffen, beispielsweise in Höhe von 190 Euro.[10]
3.Unbillige Gebührenbestimmung bei anwaltlicher Erstberatung gegenüber Verbrauchern
Das Amtsgericht Stuttgart hat entschieden, dass die Gebührenbestimmung eines Anwalts für eine Erstberatung gegenüber einem Verbraucher unbillig ist, wenn sie rein zeitabhängig erfolgt und den Gegenstandswert unberücksichtigt lässt. In einem Fall wurde eine Gebühr von 249 € verlangt, obwohl eine angemessene Vergütung nur 48,20 € betragen hätte. Das Gericht stellte fest, dass die Bestimmung der Gebühr nach § 14 RVG die Bedeutung der Angelegenheit und den Gegenstandswert einbeziehen muss, da andernfalls das ursprüngliche Ziel des Gesetzgebers, den Zugang zum Anwalt zu erleichtern, untergraben würde. Das Gericht erklärte: „Eine anwaltliche Gebührenbestimmung für den gegenüber einem Verbraucher entstandenen Vergütungsanspruch einer Erstberatung entspricht nicht der Billigkeit, wenn sie rein zeitabhängig und ohne Berücksichtigung des Gegenstandswerts erfolgt“.[11]
4.Fazit
Die Erstberatung im anwaltlichen Kontext ist durch klare gesetzliche Rahmenbedingungen definiert, die sowohl den Umfang als auch die Vergütung betreffen. Wesentlich ist, dass „Gespräch“ im Sinne des RVG nicht nur den persönlichen Kontakt, sondern auch Telefongespräche umfasst, während schriftliche Beratungen nicht darunterfallen und daher nicht von der Kappungsregelung profitieren. Die Höhe der Vergütung orientiert sich an den Bemessungskriterien des § 14 RVG und kann bei sehr hohem oder sehr niedrigem Streitwert entsprechend angepasst werden. Überschreitet die Beratung das erste Gespräch oder erfordert sie einen erheblichen Zeitaufwand, entfällt die Kappungsgrenze und es gelten individuelle Vergütungsvereinbarungen, um den Aufwand des Anwalts angemessen zu entlohnen.
Ein Beitrag von Rojin Erekli (stud.jur. Uni Köln).
Stand: 29.8.2024
[1] Winkler, RVG § 34 Rn.105, 106; Nitschke, §2Rn. 434,435.
[2] HK-RVG /Winkler, RVG § 34 Rn.107-114.
[3] AG Essen Urt. v. 5.12.2012 – 17 C 226/12, BeckRS 2013, 7987; HK-RVG /Winkler, RVG § 34 Rn.107-114.
[4] BeckOK RVG/v. Seltmann RVG § 34 Rn.3; Schnitzler,Münchener Anwaltshandbuch, § 1 Rn.25,26.
[5] Schnitzler,Münchener Anwaltshandbuch, § 1 Rn.25,26.
[6] HK-RVG /Winkler, RVG § 34 Rn.107-114.
[7] AG Dannenberg: s 2013, 510; 496; BeckOK RVG/v. Seltmann RVG § 34 Rn. 3; HK-RVG /Winkler, RVG § 34 Rn.107-114.
[8] Winkler, RVG § 34 Rn.105, 106.
[9] AG Zittau; Abgrenzung umfassender Beratung und Erstberatung, NJW-RR 2006,575.
[10] HK-RVG /Winkler, RVG § 34 Rn.107-114
[11] AGS 2014, 381 ◊ BeckRS 2014, 8583 ◊ LSK 2014, 350098 (Ls.) ; FD-RVG 2014, 358037 (Mayer).