Berufsunfähigkeit – das Problem der Nachweisbarkeit bei psychischer Erkrankung

Berufsunfähigkeit ist keine Seltenheit und immer mehr Menschen wollen sich dagegen schützen. Bei Fällen wie einer Querschnittslähmung ist der Fall unproblematisch, aber was ist mit psychischen Erkrankungen? Psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Psychosen sind längst wissenschaftlich anerkannt, doch trotzdem scheint es schwer, diese als ausreichenden Grund einer Berufsunfähigkeit einzubringen. Wie kann das sein?

Der ausschlaggebende Zeitpunkt für den Eintritt der Berufsunfähigkeit ist der, ab welchem der Betroffene nicht mehr in der Lage ist seinen Beruf weiter auszuüben. Das bedeutet, dass ein Arzt nachweisen muss, dass der Betroffene in den nächsten 6 Monaten nur noch höchstens die Hälfte seiner bis jetzt ausgeübten Tätigkeit ausführen kann. Doch dieser Nachweis ist bei psychischen Störungen schwer vorzubringen, da die Bewertung des Krankheitsbildes komplexer und schwieriger ist als bei körperlichen Verletzungen. Es fehlt einfach an objektiven Fakten und damit an der der physiologischen Nachvollziehbarkeit, wenn sich die Messergebnisse auf die Angaben des Betroffenen und der Beobachtung seines Verhaltens basieren. Diese subjektiven Einschätzungen können Zweifel offenlassen und bieten dadurch eine große Angriffsfläche.

Der Fall – OLG Bremen, Urteil vom 25.6.2010 (3 U 60/09)

In einer solchen Situation befand sich ein klagender Justizvollzugsbeamter: Während einer körperlichen Auseinandersetzung mit einem Häftling zog er sich blutende Wunden zu. Der Kläger befürchtete, sich mit dem HIV-Virus infiziert zu haben und war fürs erste krankgeschrieben. Der Vorfall hatte ihn so sehr belastet, dass er in eine schwere Depression fiel und unter posttraumatischen Belastungsstörungen litt. Dies hatte zur Folge, dass er nicht weiterarbeiten konnte und die Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente beantragte.

Der Sachverständige diagnostiziert bei dem Kläger keine posttraumatische Belastungsstörung, sondern vielmehr ein ausgeprägtes phobisches Angstsyndrom. Es handle sich um eine Angsterkrankung, die chronisch werden kann, wenn der Kläger sich weiter auf seine Angst konzentriert. Er führt weiter aus, dass der Kläger somit seinen Beruf als Justizvollzugsbeamter nicht weiter ausüben kann, insbesondere weil bei seiner Tätigkeit ausgeprägten Panikattacken und Angstzuständen nicht auszuschließen sind. Seiner Meinung nach liegen außerdem klare Hinweise dafür vor, dass die psychischen Beeinträchtigungen des Klägers im zeitlichen Zusammenhang mit dem Vorfall stehen.

Die Beschwerdeschilderung und Symptombildung ist typisch und charakteristisch für ein phobisches Angstsyndrom.

Der Senat hält die Ausführungen des Sachverständigen für nachvollziehbar und überzeugend.

Der Beklagte weist auf die vermeintlich schwammigen Formulierungen im Gutachten des Sachverständigen hin, das eine Berufsunfähigkeit nicht nachweisen lässt. Doch der Senat ist davon sichtlich unbeeindruckt und verlässt sich auf die Diagnose des Sachverständigen, insbesondere da dieser nicht nur von Wahrscheinlichkeiten redet, sondern überzeugt von der Erkrankung des Klägers ist.

Fazit

Nach der Rechtsprechung des BGH können psychisch Erkrankte also aufatmen: Die Diagnose eines Arztes basierend auf der Schilderung der Beschwerden des Klägers kann ausreichen. Damit sind psychiatrische Erkrankungen wie z.B. Depressionen bei überzeugender Begründung Grund genug für eine Berufsunfähigkeit, obwohl sie nicht objektivierbar sind.

Erstellt am 08.10.2019

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