Pfefferspray – ohne ausreichende Kennzeichnung als Tierabwehrgerät strafbar?
Das Amtsgericht Braunschweig (Az. 11 Cs 300 Js 27530/13) hatte über den Einspruch gegen einen Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Braunschweig zu entscheiden, dem der Vorwurf eines fahrlässigen Verstoßes gegen §§ 2 Abs.3, 52 Abs.3 Nr.1, Abs.4, 54 WaffG i.V.m. Anlage 2 zum WaffG Abschnitt 1 Nr. 1.3.5 wegen Besitzes eines Pfeffersprays ohne ausreichende Kennzeichnung als „Tierabwehrgerät“ zugrunde lag.
Der Angeklagte hatte im Fachhandel ein Reizgassprühgerät „JetProtector DS-201“ eines Schweizer Herstellers erworben. Unstreitig war auf der Umverpackung des verkauften Geräts (eine zweischüssige auf Pyrotechnikbasis funktionierte Kartusche von der Größe einer Zigarettenschachtel mit einer öligen Reizflüssigkeit) eine Kennzeichnung als „Tierabwehrgerät“ vorhanden. In der Hauptverhandlung konnte geklärt werden, dass diese Kennzeichnung auf dem Gerät DS-201 selber jedoch fehlte. Es war auch nicht ersichtlich, dass der Hinweis als „Tierabwehrgerät“ vormals auf einem Aufkleber enthalten, sodann jedoch abgerieben worden wäre.
Das deutsche Waffenrecht ist bezüglich des Umgangs mit Pfeffersprays überaus ambivalent und unübersichtlich, wie die Verweisungskette auf die Anlage erkennen lässt. Es zählt zu den verbotenen Waffen i.S.v. § 2 Abs.3 WaffG gem. Anlage 2 Abschnitt 1 Nr.1.3.5 „Gegenstände mit Reiz- oder anderen Wirkstoffen, es sei denn, dass die Stoffe als gesundheitlich unbedenklich amtlich zugelassen sind und die Gegenstände in der Reichweite und Sprühdauer begrenzt sind und zum Nachweis der gesundheitlichen Unbedenklichkeit, der Reichweiten- und der Sprühdauerbegrenzung ein amtliches Prüfzeichen tragen“. Ein amtliches Prüfzeichen trug das Reizgassprühgerät nicht.
Wenn ein an sich verbotener Pfefferspray jedoch als „Tierabwehrgerät“ gekennzeichnet wird, obgleich er sich ebenso gut auch gegen Menschen einsetzen lässt und gemeinhin eher zum Zwecke der Selbstverteidigung gegen diese angeschafft wird, soll er jedoch nicht der „Beurteilung durch das Waffengesetz“ unterfallen. Warum das so sein soll, lässt sich logisch nicht erklären; die formal-juristische Argumentation lautet wie folgt: Ein Gegenstand, der für die Abwehr von Tieren zweckgerichtet ist, sei keine „Waffe“, da er gerade nicht dazu bestimmt sei, „die Angriffs- und Abwehrfähigkeit eines Menschen zu beseitigen oder herabzusetzen“, sondern die eines Tieres.
Zu den Hintergründen dieses Paradox spielte im Gesetzgebungsverfahren ein Dissens zwischen Bundesrat und Bundesregierung eine Rolle. Der Bundesrat wollte Reizstoffsprühgeräte von einer waffenrechtlichen Genehmigungspflicht ausnehmen, da er für Bürger und Verwaltung hierin einen zu hohen Verwaltungsaufwand sah, und das Alter für den Umgang mit diesen Geräten auf 14 Jahre absenken, damit sich auch Mädchen auf diesem Weg gegen Übergriffe „bewaffnen“ konnten (BT-Drucksache 14/7758, S.104). Die Bundesregierung lehnte dies ab, da andernfalls auch männliche Jugendliche – gemeinhin von der Politik eher in der Täterrolle gesehen – sich sodann hiermit ausstatten dürften (BT-Drucksache 14/7758, S.127 f.). Schutzbedürftige Jugendliche könnten im Bedarfsfall eine Ausnahmegenehmigung gem. § 3 Abs.3 WaffG erhalten, so die Bundesregierung im Gesetzgebungsverfahren.
Da „Tierabwehrgeräte“ jedoch keine „Waffen“ sind, so auch die einschlägigen WaffG-Kommentare, gilt für sie keine Altersbegrenzung. Die Politik scheint dies zu akzeptieren.
Erforderlich ist jedoch stets, dass das Gerät eine Kennzeichnung zur „Tierabwehr“ enthält. Dann ist alles gut.
Dies war im vorliegenden Fall zwar nicht gegeben. Das Amtsgericht stellte das Verfahren mit allseitigem Einverständnis von Staatsanwaltschaft und Verteidigung per Beschluss vom 11.3.2014 gem. § 153 StPO ein, da die Schuld des Täters nur als gering erachtet wurde, zumal ihm das Gerät von einem anerkannten Sicherheitsfachgeschäft verkauft wurde und auch der Schweizer Hersteller schriftsätzlich gegenüber dem Amtsgericht vorgetragen hatte, dass keine Charge seine Produktion verlässt und nach Deutschland exportiert worden wäre, ohne diese notwendige Kennzeichnung.
Wo der Aufkleber „Tierabwehrgerät“ schließlich verbleiben war, den der Hersteller meinte, auf dem Gerät angebracht zu haben, konnte zwar nicht geklärt werden. Dies hätte jedoch nur dann eine Rolle gespielt, wenn er später entfernt oder unkenntlich geworden wäre. Für diesen Fall hatte das Amtsgericht Hamburg (Beschluss vom 18.10.2007 – Az. 930 – 297/07 Jug) bereits zutreffend entschieden, dass die nachträgliche Unleserlichkeit der Kennzeichnung den Verwendungszweck zur Tierabwehr nicht entfallen lasse.
Praxistipp: Achten Sie darauf, dass Pfeffersprays stets eine Kennzeichung „nur zur Tierabwehr“ oder eine ähnliche Diktion enthalten, in der das Wort „Tiere“ ausdrücklich verkommt. Nutzt sich diese Kennzeichnung später ab, bleibt das Gerät weiterhin vom Waffengesetz und von dessen Altersbeschränkungen ausgenommen. Dieser Umstand könnte jedoch, zumal bei ausländischen Produkten, zunächst Ermittlungen der Polizei gegen Sie auslösen, wogegen Sie sich sodann ggf. aufwendig rechtfertigen müssen.
Der Fall zeigt wieder einmal, dass Deutschland eines der weltweit schärfsten Waffenrechte hat.
Erstellt am 22.03.2014
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Fachanwalt für Medizinrecht und Versicherungsrecht