Risiken des Aufhebungsvertrages – Sperrzeit durch die Agentur für Arbeit

Durch einen Aufhebungsvertrag kann ein Arbeitsverhältnis jederzeit beendet werden, da die Kündigungsfristen aus §§ 621 ff. BGB in diesem Fall nicht gelten. Der Arbeitnehmer ist nicht schutzbedürftig, wenn er sich auf einen solchen Aufhebungsvertrag einlässt, da es sich um einen Vertrag handelt. Und Verträge können nur durch übereinstimmende Willenserklärungen zustande kommen.

Welche Vorteile bieten Aufhebungsverträge?

Beide Seiten können sich, wenn es zwischen ihnen „nicht mehr stimmt“ jederzeit voneinander lösen, was zur Vermeidung einer Eskalation oftmals der sinnvollste Weg ist. Für Arbeitgeber sind Aufhebungsverträge in der Regel deswegen von Vorteil, da sie hierdurch die für sie risikoreichen und langwierigen Kündigungsschutzprozesse vermeiden können, an deren Ende üblicherweise ein Vergleich mit Abfindungszahlung steht. Aber auch für Arbeitnehmer bieten Aufhebungsverträge zuweilen Vorteile: Z.B. wenn andernorts bereits ein neues Arbeitsverhältnis in Aussicht steht, die arbeitnehmerseitige Kündigungsfrist jedoch nicht eingehalten werden kann.

Oder wenn ein personen- oder verhaltensbedingter Kündigungsgrund vorliegt, der den Arbeitgeber zu einer „wasserdichten“ Kündigung berechtigen würde (z.B. gewichtige Straftaten am Arbeitsplatz) und den man so vielleicht nicht gerne im Kündigungsschreiben wiederfinden möchte. Ein Aufhebungsvertrag kann zugleich Zeugnismodalitäten regeln und verschleiert die tatsächlichen Beendigungsmotive, wenn er lediglich „betriebsbedingte Gründe“ anführt, was die Eingehung eines neuen Arbeitsverhältnisses erleichtert.

Welche Risiken bieten Aufhebungsverträge?

Für Arbeitgeber sind Aufhebungsverträge im Grunde risikolos.

Für Arbeitnehmer sind sie dann mit Risiken verbunden, wenn sie zur Arbeitslosigkeit führen, da sie sodann gem. § 159 Abs.3 SGB III mit einer Sperrzeit von bis zu 12 Wochen durch die Agentur für Arbeit für das Arbeitslosengeld I rechnen müssen. Grundsätzlich möglich ist in diesen Fällen zwar, für die Dauer der Sperrzeit Arbeitslosengeld II-Leistungen durch das Jobcenter zu beziehen, jedoch gem. § 31a Abs.1 SGB II um 30% gekürzt: Bei einem Regelsatz, der zum Leben ohnehin bereits kaum ausreicht.

Der Aufhebungsvertrag wird auf Arbeitnehmerseite von der Arbeitsagentur nämlich wie eine Eigenkündigung behandelt: Wer dem Vertrag zustimmt, hat sich „sozialversicherungswidrig“ verhalten, da er seine „Bedürftigkeit“ gegen die Solidargemeinschaft eigenverantwortlich herbeigeführt hat.

Nur ausnahmsweise entfällt eine Sperrzeit, wenn der Arbeitnehmer einen „wichtigen Grund“ für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hatte. Verschiedene Fallbeispiele sind von der Rechtsprechung der Sozialgerichte anerkannt worden:

  • Mobbing:Der Arbeitnehmer wird von seinen Vorgesetzten oder Kollegen gemobbt und alle bisherigen Bemühung, dieses zu unterbinden, bleiben erfolglos. (Hierzu sollte als Beweismittel ein „Mobbingtagebuch“ geführt werden, in dem die konkreten Angriffe auf die Integrität des Arbeitnehmers genau aufgeführt werden. Ferner ist die Einholung eines ärztlichen oder psychotherapeutischen Attestes sinnvoll.)
  • Gesundheit:Der Arbeitsplatz führt zu einem Gesundheitsschaden. Andere Arbeitsplätze im Betrieb sind nicht vorhanden und auch technische Hilfsmittel besseren die Situation nicht. (Auch hier muss der Arbeitsantur ein ärztliches Attest vorgelegt werden können.)
  • Drohende arbeitgeberseitige Kündigung:Wenn der Arbeitgeber rechtmäßig kündigen kann und dies in Aussicht stellt, darf der Arbeitnehmer in einen Aufhebungsvertrag einwilligen, wenn ihm das Abwarten der Kündigung ausnahmsweise nicht zumutbar ist. (Bei einer für diesen Fall vereinbarten Abfindung ist jedoch § 1a KSchG zu beachten: nicht mehr als 0,5 Monatsgehälter für jedes Jahr der Betriebszugehörigkeit)
  • Umzug:Ist der Arbeitnehmer gezwungen, mit seiner Familie umzuziehen, z.B. weil der Ehepartner als Hauptverdiener an einen anderen Ort verzieht und die Wegstrecke zum Arbeitsplatz unverhältnismäßig weit wäre, liegt ein berechtigtes Interesse an der Lösung vom Arbeitsverhältnis vor.
  • Ausstehende Arbeitsvergütung:Bestehen erhebliche Vergütungsrückstände, die vom Arbeitgeber trotz Mahnung und Kündigungsandrohung unter Fristsetzung nicht beglichen werden, ist eine Eigenkündigung wie auch der Abschluss eines Aufhebungsvertrages berechtigt, da auch dann die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht länger zumutbar ist.

Vor Abschluss eines Aufhebungsvertrages aus einem dieser „wichtigen Gründe“ ist es jedoch ratsam, die Agentur für Arbeit zuvor zu konsultieren. Stimmt diese dem Aufhebungsgrund zu, kann sie später eine Sperrzeit nicht verhängen, da dann eine „Zusage“ i.S.v. § 38 VwVfG vorliegt, Verwaltungshandeln zum Nachteil des Arbeitnehmers zu unterlassen.

Ausnahmsweise kann ein Aufhebungsvertrag von den Vertragsparteien wegen Irrtums (§ 119 BGB) oder arglistige Täuschung bzw. Drohung (§ 123 BGB) später angefochten werden. Letzterer Fall ist vor allem dann relevant, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer unerlaubt unter Druck gesetzt und zum Abschluss des Aufhebungsvertrages genötigt hat.

Erstellt am 08.10.2019

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