Unerlaubte Übertragung administrativer Aufgaben im Berufsbildungswesen durch Rechtsanwaltskammer
Ein ungewöhnlicher und seltener berufsrechtlicher Streit, der gem. § 112 c Abs. 1 BRAO auf Grundlage der Verwaltungsprozessordnung geführt wurde:
Der Anwaltsgerichtshof des Landes Nordrhein-Westfalen, Az. 2 AGH 24/11, hatte im Urteil vom 7.9.2012 festgestellt, dass eine Rechtsanwaltskammer als gem. § 71 Abs. 4 BBiG „zuständige Stelle“ nicht befugt sei, die „Administration“ des Ausbildungswesens der Rechtsanwaltsfachangestellten auf Anwaltvereine zu übertragen. Zur Begründung führte der AGH im Wesentlichen aus, dass es an einer Ermächtigungsgrundlage dafür fehle, hoheitliche Pflichtaufgaben im Berufsbildungsbereich, die das Gesetz ausdrücklich der berufsständischen Kammer zuweise, an private Stellen außerhalb der anwaltlichen Selbstverwaltung oder auch nur auf einzelne vom Kammervorstand beauftragte Rechtsanwälte, die diesem Gremium nicht angehörten, zu übertragen. Die Rechtsanwaltskammer hatte zu diesem Zweck einen Verwaltungsvertrag mit drei Anwaltvereinen ihres Bezirks geschlossen, der sehr weitgehende Aufgabenübertragungen und Assistenzleistungen vorsah. Streitig war zwischen den Parteien zwar die Bewertung, inwieweit die Anwaltvereine hierdurch lediglich „Verwaltungshelfe“ der Rechtsanwaltskammer wurden, oder ob sie selber als „kleine Behörden“ agierten. Zu den ihnen zugedachten Aufgaben sollte aber u.a. auch die „Konfliktlösung in Ausbildungsverhältnissen“ gehören, wofür in § 111 Abs.2 ArbGG jedoch Schlichtungsausschüsse vorgesehen waren, die von den Anwaltvereinen wohl quasi ersetzt wurden.
Diese Entscheidung wurde nun vom Anwaltssenat des Bundesgerichtshofs, Az. AnwZ(Brfg) 67/12, im Urteil vom 10.3.2014 bestätigt. Der Bundesgerichtshof folgte dem Betrachtungsansatz des Anwaltsgerichtshofs, wonach die Aufgabenübertragung von Verwaltungsaufgaben einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zugleich auch eine Schweigepflichtsproblematik erzeugt: Verwaltungskräfte eines privatrechtlichen Anwaltvereins unterliegen lediglich einer arbeitsvertraglichen Verschwiegenheitspflicht, wohingegen die Mitarbeiter einer Behörde gem. § 203 Abs.2 Nr. 1 StGB ein Amtsgeheimnis zu bewahren haben. Dieser Schutz – so AGH und BGH übereinstimmend – gehe in seiner Wirkung weiter, als eine bloß vertragliche Schweigepflicht.
Der Bundesgerichtshof zweifelte zwar an, dass Streitigkeiten über Berufsausbildungsverhältnisse gem. § 112 a BRAO als „verwaltungsrechtliche Anwaltssachen“ anzusehen wären und der Rechtsweg zur Anwaltsgerichtsbarkeit hierfür eröffnet wäre, sah sich jedoch an die Wahl des Rechtswegs gem. § 17a Abs.5 GVG gebunden. Zugleich wurde vom BGH festgestellt, dass Berufsausbilder – wenig überraschend, jedoch von der Rechtsanwaltskammer bestritten worden – bei Vorliegen eines berechtigten Interesses „in Anlehnung an § 29 VwVfG“ einen Anspruch gegen die berufsständische Kammer besitzen, das dort gem. § 34 BBiG geführte Ausbildungsverzeichnis nebst der in die „Ausbildungsakte“ gelangten Korrespondenz einzusehen, soweit der Einsichtsgewährung schutzwürdige Interessen der Auszubildenden nicht entgegen stünden.
Erstellt am 22.03.2014
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Fachanwalt für Medizinrecht und Versicherungsrecht