Was ist während der Fahrt verboten?
Mit Beschluss vom 11.5.2021, Az. 5 RBs 94/21, hat das Oberlandesgericht Hamm im Rahmen einer zugelassenen Rechtsbeschwerde entschieden, dass ein Smartkey mit Display für das Auto ein elektronisches Gerät i.S.v. § 23 Abs. 1a S. 1 StVO darstellt und daher dem Benutzungsverbot unterfällt. Nach der Neufassung der Norm zum 19.10.2017 werden nicht mehr nur „Mobil- oder Autotelefone“ von dem Verbotstatbestand der Benutzung während der Fahrt erfasst, sondern jedes elektronische Gerät, das der Kommunikation, Information oder Organisation dient oder zu dienen bestimmt ist. Da der vom Fahrzeugführer genutzte elektronische Fahrzeugschlüssel mit einem Display ausgestattet war, das verschiedene Informationen des Fahrzeugs abrufen und Fahrzeugfunktionen bedienen konnte, unterfiel er folglich dem Benutzungsverbot. Denn die Bedienung eines SmartKeys geht ebenso wie die jedes anderen elektronischen Geräts während der Fahrt mit der Gefahr der Ablenkung des Fahrzeugführers einher.
Änderung des § 23 StVO
Der Anwendungsbereich des § 23 StVO wurde seit dem 19.10.2017 grundlegend erweitert. Es werden nicht mehr nur Mobiltelefone am Steuer verboten, sondern die Norm wurde dahingehend verändert, dass vor allem elektronische Geräte, die der Kommunikation, Information oder Organisation dienen, vom Verbotstatbestand umfasst werden.
Insbesondere fallen Mobiltelefone, tragbare Rechner, Navigationsgeräte, Videobrillen, Fernseher, Berührungsbildschirme, elektronische Terminplaner, Abspielgeräte mit Videofunktion, Diktiergeräte, Smartwatches, Notebooks, DVD- und Blu-Ray-Player, unter die Verbotsvorschrift. Erkennbar ist, dass die Vorschrift nicht zwischen mobilen und immobilen Geräte unterscheidet, sondern auch fest eingebaute Geräte erfasst. Die Norm ist bewusst nicht abschließend geregelt, sondern „technikoffen“ und passt sich den künftigen Entwicklungen in der Technologie an.
Ziel der Neuregelung ist, die Ablenkung während des Fahrens deutlich zu reduzieren, Unfallereignisse zu verringern und Kfz-Führer für die Einhaltung der Verkehrssicherheit und –ordnung verstärkt zu sensibilisieren.
Nutzung i.S.v. § 23 Abs. 1a S. 1 StVO
Unter dem Begriff Nutzung i.S.d. § 23 Abs. 1a S. 1 StVO ist jegliche Nutzung eines elektronischen Geräts/Mobiltelefons zu verstehen. Nutzung liegt immer dann vor, wenn das Gerät aufgenommen oder gehalten wird und zur Bedienung nicht nur ein kurzer Blick ausreicht. Ob ein elektronisches Gerät zur Nutzung in der Hand gehalten werden muss – so die frühere Rechtslage – ist mittlerweile unerheblich.
Seit der Änderung des § 23 Abs. 1a Nr. 1 StVO handelt es sich nicht mehr um ein absolutes Hand-Held-Verbot, sondern vielmehr um ein Hand-Held-Usage-Verbot. Das bedeutet, der Verbotstatbestand ist nicht mehr beim bloßen Aufnehmen oder Halten eines elektronischen Geräts ohne Hinzutreten eines Benutzungselements erfüllt, sondern es erfordert ein Zusammenhang zwischen dem Halten oder Aufnehmen des Geräts und der Benutzung einer seiner Bedienfunktionen.
Der kurze Blick
Die Verbotsvorschrift wurde um ein weiteres Tatbestandmerkmal ergänzt, welche eine „straflose“ Nutzung eines elektronischen Gerätes zulässt und zwar, wenn zu ihrer Bedienung und Nutzung nur eine kurze, den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen angepasste Blickzuwendung zum Gerät erfolgt oder erforderlich ist.
Das Tatbestandsmerkmal des kurzen Blickes ist im Gesetz weder weiter ausgeführt noch wurde es mit einer Zeitangabe konkretisiert. Allein von den Verkehrsverhältnissen wird der kurze Blicke abhängig gemacht.
Gemäß dem Sinn und Zweck der Straßenverkehrsordnung wird mit diesem Merkmal auf die Gefahren der Blickabwendung vom Verkehrsgeschehen verwiesen, wie es z.B. bei der Eingabe eines Ziels in das Navigationsgerät über den Touchscreen oder beim Eintippen von Zahlen auf dem elektronischen Taschenrechner, die einen langen Blick erfordern, der Fall ist. Daher sind elektronische Geräte, die von ihrer Natur aus den Blick vom Verkehrsgeschehen abwenden und dementsprechend zu fahrfremden Tätigkeiten führen, von der Straßenverkehrsordnung untersagt bzw. verboten.
Nutzung eines elektronischen Geräts während der Fahrt
Liegt eine verbotene Benutzung auch dann vor, wenn das Handy in der Halterung steckt, der Fahrer auf das Display tippt oder YouTube-Videos während der Fahrt anschaut?
Grundsätzlich ist der Tatbestand des § 23 Abs. 1a S. 1 StVO auch dann erfüllt, wenn der Fahrer das Handy tatsächlich aufnimmt oder in der Hand hält. Wenn das Mobiltelefon hingegen in der Halterung steckt, darf auf das Gerät getippt werden, weil man es hierfür weder aufnehmen noch halten muss. Allerdings muss das Handy bereits vor dem Fahrtantritt an die Halterung angebracht worden sein und nicht während der Fahrt. Hier gilt auch weiterhin, dass das der Motor vor der Nutzung eines Geräts i.S.d. § 23 Abs. 1a S. 1 StVO vollständig ausgeschaltet sein muss. Das automatische Abschalten vor einer roten Ampel fällt nicht unter einem ausgeschalteten Motor und ist vom Verbotstatbestand nicht ausgenommen.
Beim Tippen gilt die Regel: Anruf entgegennehmen – Ja, SMS schreiben – Nein. Andernfalls ist die Gefahr groß, gegen die von jedem Kfz-Führer einzuhaltenden Sorgfaltspflichten gemäß § 1 StVO zu verstoßen.
Es besteht demnach die Möglichkeit, Videos zwar zu schauen oder Hörbücher zu hören, solange diese jedoch vor der Fahrt gestartet worden sind. Sobald nämlich während der Fahrt auf das Handy getippt wird, um das passende Video zu finden, ist das Tatbestandsmerkmal des „kurzen Blickes“ nicht mehr erfüllt. Auch wenn das Handy in der Halterung steckt und weder aufgenommen noch gehalten wird, erfordert doch das Tippen lange und häufige Blickkontakte. Des Weiteren beinhaltet die Vorschrift nach § 23 StVO, dass die Lautstärke der Videos oder der Hörbücher sowie aber auch die Nutzung von Kopfhörern während der Fahrt das Gehör nicht beeinträchtigen darf, sodass beispielsweise Sirenen von Krankenwagen oder das Hupen von anderen Kraftzeugführern nicht überhört werden. Werden akustische Eindrücke aufgrund dieser Beeinträchtigung nicht wahrgenommen, so handelt man letztlich ordnungswidrig.
Fazit
Elektronische Geräte, die in einer Halterung installiert wurden, nur auf den Schoß liegen oder im Ohr eingesteckt wurden, unterfallen nicht dem Nutzungsverbot während der Fahrt, solange keine ihrer Bedienfunktionen ordnungswidrig getätigt wurde. Dies liegt erst dann vor, wenn für die Bedienung ein längerer Blickkontakt erforderlich ist und das Gerät hierfür in die Hand gehalten werden muss.
Ein Beitrag von Christvie Yenge.
Erstellt am 24.09.2021
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